Wenn deine Traumstadt zum Albtraum wird

Eine düstere Noir-Erzählung über Wahrheit, Verrat und eine Stadt, die sich in Schatten verliert.

Der Auslandsjournalist Gregor Merten steckt in einer Krise: Seine Budapester Zeitung steht vor dem Aus, seine Karriere vor dem Nichts. Als seine engste Vertraute spurlos verschwindet, reißen die Rätsel nicht ab – denn auch Mitglieder seiner Redaktion verhalten sich zunehmend verdächtig. Auf der Suche nach der Wahrheit irrt Gregor durch ein Budapest, das ihm einst vertraut war, nun aber mit jeder dunklen Gasse mehr zur Hauptstadt seiner Albträume wird.

Der Autor Jerome P. Schaefer („Der Dschungel von Budapest“) sagt: „Garthoffs 'Exit Budapest' ist wie ein ungarischer Hosszú kávé: tiefschwarz und stark bis zum Umfallen.“

Bericht in der Budapester Zeitung: Wenn die Traumstadt zum Albtraum wird
Interview bei Radio Leuchtturm: In memoriam Pester Lloyd – oder?

Exit Budapest: Wenn deine Traumstadt zur Hauptstadt der Albträume wird.

Lektorat und Korrektorat: Wendy Nikolaizik
Titelfoto: © Daniel Kaldori

Leseprobe

Schwankend durchquert Gregor die Unterführung am Hotel Astoria. An der Wand neben den Ticketautomaten für die Metro stehen Polizisten in einem Halbkreis um ein Bündel zu ihren Füßen herum. Einer aus der Runde stößt mit seiner Stiefelspitze dagegen.

„Sieh zu, dass du hier wegkommst, Penner!“

Daraufhin kommt langsam Bewegung in das Bündel. Es rappelt sich mühsam auf. Ein Kopf lugt hervor, der nicht zu verstehen scheint, was geschieht. Auch nur eine arme Sau, die versucht, in diesem Leben nicht unterzugehen, denkt Gregor und fühlt Mitleid.

„Мach schon, weg hier!“, befiehlt der Mann in Uniform und führt die Hand wie zur Drohung an seinen Schlagstock. „Und du glotz nicht so!“, blafft er in Gregors Richtung, der die Szene verstohlen beobachtet hat. Er zieht den Kopf zwischen die Schultern und torkelt weiter, ohne noch einmal aufzusehen.

Gregor nimmt den Ausgang Richtung Múzeum körút. Die Straße liegt direkt auf dem Weg zu seiner Wohnung im Übergang vom VIII. in den IX. Budapester Bezirk. Dabei bleibt er immer wieder vor den Bücherantiquariaten hängen. Auf der Straße reiht sich eines an das andere. Auf den Schaufenstern sieht er seine Spiegelung schwanken. Manchmal spielen ihm seine Augen einen Streich. Dann sieht er nicht mehr nur sich. Dann gesellt sich ein Schatten aus der Vergangenheit zu ihm. Dann stehen sie dort wieder zu zweit, Maggie und er, mit dem Lächeln der Verliebten, die jeden Blödsinn lustig finden, selbst wenn es nur ihre eigene Spiegelung in einer Schaufensterscheibe ist.

Nieselregen setzt ein. Schnell verdichtet er sich zu Fäden, die Dunkelheit erobert die Stadt, auf den Straßen verschwimmen die Lichter miteinander. Gregor hat es nicht mehr weit bis zu seiner Wohnung. Er beschleunigt seinen Schritt, achtet nicht mehr auf die Schaufenster, versucht das Grollen in seinem Kopf zu ignorieren, das ein herannahendes Unwetter ankündigt. Er erreicht den Kálvin tér, ein Knotenpunkt zwischen der alten Innenstadt und dem Weg raus aus der Stadt in Richtung Flughafen. Autos hupen und dröhnen, die Straßenbahn schabt über die Gleise, all die Geräusche zerren an seinen Nerven.

Die Stadt.

Die Lichter.

Zu viel! Zu viel!

In der Ráday utca verfällt Gregor in den Laufschritt, bis er vollkommen durchnässt an der Tür seines Wohnhauses ankommt. Er stolpert die Treppe zu seiner Wohnung im ersten Stock hinauf, nimmt zwei Stufen auf einmal, zittert, als er versucht, den Schlüssel in das Schloss zu bugsieren. Es gelingt ihm erst beim dritten Versuch. Dann ist er drinnen. Die Welt bleibt draußen. Er braucht die Welt nicht.

© Sebastian Garthoff. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.