In der Provinz ist alles möglich.
Das muss auch der Lokaljournalist Lorenz Lorenz erfahren, als eine Zombiewelle über die Kleinstadt Sonderbarhausen hereinbricht. Doch Lorenz muss sich nicht nur mit den lebenden Toten auseinandersetzen. Viel mehr noch hadert er mit den Unzulänglichkeiten seines eigenen Lebens.
Schwarzhumorig, bissig und mit einem Hauch Gesellschaftskritik – für Fans von absurdem Horror und skurrilem Provinzcharme.
Umschlaggestaltung: Jasmin Kreilmann
Die perfekte Ergänzung zur Original-Erzählung, eine schwarzhumorige Horrorkomödie im Comic-Format – bissig, absurd und verdammt unterhaltsam.
Für Fans von Zombieland, Shaun of the Dead und Provinzgeschichten mit Biss.
Manchmal fühlt Lorenz Lorenz in sich noch immer das jugendliche Gefühl von Unsterblichkeit. Vor allem, wenn es andere trifft. Er rauscht über die Bundesstraße, die sich kilometerweit durch ein Niemandsland zieht, in dem sich nichts bewegt – außer den Windkraftanlagen auf den unendlichen, arschlochbraunen Feldern. Manchmal ist es wohl einfach Pech: Zu sterben. Den Verstand zu verlieren. Oder in dieser Einöde zu stranden.
Dorf. Feld. Dorf. Feld. Und dazwischen vielleicht noch eine Schweinemastanlage. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Lorenz Lorenz hat sich in den großen Städten gesehen. Doch in den Metropolen dieses Landes blieb er eine Akte auf dem Bewerbungsstapel. Nächste Station: Papierkorb. Also blieb er hier in diesem Leben stecken, ein Leben, von dem er noch immer glaubt, er habe darin nichts verloren.
Der Jahrhundertsommer liegt in seinen letzten Zügen. Wut will nicht sterben dröhnt es aus den Lautsprechern seines Skoda Baujahr 1999. Lorenz singt den Song lautstark mit und tritt das Gaspedal durch. Die Kreuze am Streckenrand fliegen an ihm vorüber.
„Die Familie ist noch nicht informiert, wenn vorher etwas an die Öffentlichkeit gelangt, ist was los“, hatte Polizeisprecher Kurt Safranski ihn am Telefon angeschnauzt. Lorenz hatte eine knappe Online-Meldung abgesetzt und war losgefahren. Nun bremst er herunter, als er das Ortseingangsschild passiert. Er muss nicht lange nach seinem Ziel suchen. Das Dorf besteht nur aus einer Hauptstraße, von der ein Netz von schmutzigen Gassen wie Krampfadern abzweigt. Polizeiwagen stehen kreuz und quer vor einem grauen Familienhaus, von dem der Putz auf den ausgetrockneten Boden bröckelt. Lorenz erkennt Polizeisprecher Kurt Safranski von Weitem an seinem Fedorahut. Es ist eine Eitelkeit, die so gar nicht zu dem ansonsten staubtrockenen Beamten passt. Lorenz lässt seinen Wagen am Straßenrand stehen, schiebt sein Presseschild auf das Armaturenbrett und macht sich auf eine kühle Begrüßung gefasst.
Als Polizeisprecher Kurt Safranski ihn erblickt, geht in seinem Gesicht eine Veränderung vor sich. Der Mund unter dem akkurat gestutzten Schnauzbart verengt sich zusammen mit seinen Augen zu schmalen Schlitzen. „Sie legen es ganz schön drauf an!“, blafft er Lorenz entgegen, als der ihm die Hand zur Begrüßung entgegenstreckt. Safranski ignoriert die Geste.
Die Erwiderung liegt Lorenz zwar auf der Zunge, aber er weiß auch, wann es besser ist, den Mund zu halten. Mit Safranski kam er bislang gut klar. Das will er in diesem Moment nicht aufs Spiel setzen.
„Ist denn schon klar, was passiert ist?“, fragt Lorenz stattdessen so neutral wie möglich. Safranski lässt seinen Blick eine Weile auf Lorenz ruhen, um den Journalisten spüren zu lassen, dass er hier nicht viel zu melden hat.
„Wir gehen von einer Kohlenmonoxid-Vergiftung aus“, knurrt er.
„Wie viele?“, will Lorenz wissen.
„Vier. Vater, drei Jungs. Zehn, vierzehn und sechzehn Jahre alt. Das Haus gehört der Gemeinde. Kein Hinweis auf ein Gewaltverbrechen. Haben sich hingelegt und sind nicht wieder aufgewacht.“ „Und die Mutter?“
„Lebt von der Familie getrennt. Wir haben sie mittlerweile informiert. Sie wird jetzt seelsorgerisch betreut.“
In diesem Moment klingelt Safranskis Handy. Irritiert blickt er auf das Display, gerade so lange, dass auch Lorenz den Namen des Bürgermeisters Viktor König auf der Anzeige erkennen kann. „War es das jetzt?“, fragt Safranski brüsk.
„Ja, danke für die Informationen.“
Safranski nickt Lorenz kühl zu und wendet sich ab, um den Anruf des Bürgermeisters entgegenzunehmen.
Zurück in seinem Wagen zündet sich Lorenz eine Zigarette an. Lorenz zieht den Rauch ein und behält vom Wagen aus die Vorgänge rund um das Haus im Blick. Er sucht nach den visuellen Eindrücken, die seinem Artikel später das Lebendige verleihen sollen, auch wenn er von nichts anderem handeln wird als dem Tod.
Als er aufgeraucht hat, setzt er zum Ausparken an. Sein Blick bleibt für einen Moment am Rückspiegel hängen. Wenn nicht dieser mächtige Zinken wäre, könnte man ihn fast als attraktiv bezeichnen. Wie in seiner Jugendzeit trägt er die Haare wieder raspelkurz. Irgendwann werden sie ihm sowieso ausfallen, ist er überzeugt. So kann er sich daran schon einmal gewöhnen. Dafür ziehen sich die Koteletten buschig an beiden Gesichtshälften entlang. Es gibt seinem Aussehen etwas Verwegenes.
Lorenz dreht das Zündschloss, startet den Wagen und kriecht dem Ortsausgang entgegen. Auf der Bundesstraße zieht er das Tempo an. Die Strecke zieht sich wellenförmig durch die Ebene. Es gibt immer wieder Leute, die sich für unsterblich halten und es auf dieser Strecke darauf anlegen. Meistens verlieren sie. Die Streckenkreuze fliegen an ihm vorbei. Lorenz drückt das Gaspedal durch, rast immer weiter durch diesen Landstrich, der jedem Leben und jedem Schicksal gleichgültig gegenübersteht und dem es herzlich egal ist, wer auf ihm lebt oder stirbt.
© Sebastian Garthoff. Alle Rechte vorbehalten.
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